Tiefgründige Werke und spannende Gespräche inklusive

Dass es nicht nur Künstler in Braunschweig gibt, ist klar. Darum haben wir uns in das Umland begeben und einen kleinen Ausflug nach Salzdahlum in die Atelierräume von Paula Gottschlich und Michael Benning gemacht. Dort fanden wir ein beschauliches Häuschen gefüllt mit tiefgründigen Werken, die uns einfach begeisterten.   

Eine kleine Führung durch das Atelier wurde uns versprochen. Was wir erlebt haben, war ein magischer Ausflug in die Künstlerwelt mit herausragenden Werken und spannenden Hintergrundgeschichten aus mehreren Jahrzehnten Künstlerbiografie. Begrüßt von einem humorvollen Michael Benning ging es sodann in das „Wohnzimmer“, einem niedrigen Raum voller Sammlerstücke. Drachen, Aliens, Horrorfiguren, Spardosen und Elefanten in zig-facher Ausstattung zieren die Regale des niedrigen Raumes. Die Werke an der Wand, eigene und Schenkungen, kommen kaum zur Geltung. Dafür aber die Freude, mit der uns Michael Benning seine besonderen Sammelfiguren zeigt. „Da steckt mein ganzes Geld drin“, berichtet er uns stolz mit einem Augenzwinkern und wirft immer wieder Münzen in die mechanischen Spardosen, die sodann mit Musik und Bewegung die Anwesenden zum Lachen bringen. Beim Verlassen des Raumes springen uns die beiden Werke Bennings ins Auge. Ausdruckstark hält das Subjekt seinen eigenen Schädel in der Hand. „Sein oder nicht sein“ ist hier allgegenwärtig.

Düster, göttlich, Gottschlich

Paula Gottschlich führt uns weiter in ihre Räumlichkeiten. Gefesselt bleiben wir vor einem dreiteiligen Werk stehen. Der Heilige Sebastian, ein römischer Soldat, der seit dem 4. Jahrhundert als Märtyrer und Heiliger in der katholischen und den orthodoxen Kirchen verehrt wird und durch Bogenschützen hingerichtet werden sollte, hat seinen Platz auf ihrer Leinwand gefunden. Trotz Nachfragen nach einzelnen Werken der Serie, sind diese nur als Einheit, als Triptychon verkäuflich. Und das mit Berechtigung. Denn in ihrer Gesamtheit wirken sie besonders stark. Daneben finden wir dämonisch anmutende Schatten, die auf den Leinwänden durch den Raum huschen. Kaum erkenntlich werfen sie dem Betrachter Blicke zu. Leidend, verärgert, traurig – es ist Raum für Interpretationen.

Ausdruck mit Druck

Paula Gottschlich ist eine vielseitige Künstlerin. Sehr detailreich und realitätsnah sind ihre Werke. Dabei ist ihr das grobe Handwerk nicht fremd. Eine ganze Serie an Holzschnitt-Drucken liegt vor uns. Rosen, die schon fast fotografisch anmuten, aber in unzähligen Drucken gefertigt wurden, stechen hervor. Der zeitliche Aufwand ist kaum zu bemessen. Ein weiteres, sehr spannendes Motiv, sind Babyportraits. „Gerade Babys sind künstlerisch besonders schwer einzufangen.“, so Gottschlich. Die rote Farbe und die Wahl des Motivausschnittes lassen eine positiv seltsame Wirkung entstehen. Gesichter an sich sind ein wiederkehrendes Motiv in Gottschlichs Werken. Für viele ihrer Bilder mischt die gebürtige Braunschweigerin die Farben selbst an. Das sei aufgrund der Menge und gewünschten Farbnuancen der effektivste Weg.

Von Farbstift zu Skulpturen zu Schwarzen Flächen hin zum Mythologischen

Die Bandbreite von Michael Benning wird beim Begehen der vielen kleinen Räume deutlich. Die Führung ist wie eine Reise durch seine künstlerische Vergangenheit. Noch zu Studentenzeiten zog er sich nach jahrelangem Arbeiten mit Farbstiften eine Sehnenscheidenentzündung zu, die ihn für mehrere Jahre hätte lahm legen können. Statt dessen griff er zur plastischen Kunst und fertigte Skulpturen mit Vogelköpfen, Puppen und vielen anderen Materialien an. Mythologische Figuren fanden den Weg in seine Werke. Als die Zeit reif war, entdeckte Benning das großflächige Malen und zwar in Schwarz. Sein Durchbruch, wie er meinte. „Mit diesen Werken, in denen ich die Architektur thematisierte, habe ich sämtliche Preise gewonnen. Dann kam die Farbe.!“ Es scheint, als sei ein neuer Künstler erwacht. Seit Anfang der 90er Jahre ist das schwarz aus den Bildern Bennings gewichen. Der Ausdruck und das Können seiner Werke aber nicht. Besonders beeindruckend durch seine Schlichtheit ist der See der Verräter. In Dantes göttlicher Komödie büßen Verräter bis zum Kopf im See eingefroren, der sich auf dem 7. Höllenkreis befindet. Vorlage der Herren, die uns aus verschiedenen Positionen anschauen, war Benning selbst. Er ließ sich von seiner Frau Paula Gottschlich aus unterschiedlichen Winkeln fotografieren.

Gruselkabinett oder Seelenkammer

Bis zum Anschlag mit Eindrücken ja schon fast vollgepumpt, tauchten wir tief in Bennings Seelenleben ein. Das Gruselkabinett, „Nichts für schwache Nerven!“, so die Vorwarnung mit einem Schmunzeln, stammt aus einer sehr schwierigen Zeit des Künstlers. Es kommt einem der Gedanke, ein jeder müsste die Möglichkeit haben, sich auf diese Weise in seinen schweren Zeiten ausdrücken zu können. Die Schaukästen sind ein jeder für sich ein tiefblickendes Spiegelbild und regen sehr zum Nachdenken an. Was wir sehen, könnte die Vorlage für Schauergeschichten und Horrorfilme liefern. Viele der verarbeiteten Materialien stammen von Müllhalden. Aus Weggeworfenem neues entstehen lassen, darin besteht die Kunst. „Und dann war sie plötzlich vorbei die Zeit und ich habe mich anderen Dingen gewidmet.“ Auch für uns hieß es dann Abschied nehmen. Beeindruckt und mit vielen neuen Eindrücken verließen wir das Künstlerpaar, welches so natürlich und herzlich ist, dass es fast in einem Widerspruch zu seinen manchmal recht düsteren Werken steht.

Wer sich selbst ein Bild von dem Atelier in Salzdahlum machen möchte, kann sich gerne bei den beiden melden und einen Termin ausmachen. Es lohnt sich auf jeden Fall!

Benning/ Gottschlich
Stöckheimer Straße 28
38302 Wolfenbüttel – Salzdahlum

Weitere Informationen findet ihr unter:

http://www.kunst-hierundjetzt.de/kuenstlerinnen-und-kuenstler/detail/paula-gottschlich/
http://www.kunst-hierundjetzt.de/kuenstlerinnen-und-kuenstler/detail/michael-benning/

Außerdem findet vom 25.05.-22.09.2019 im Winuwuk Sonnenhof die Ausstellung Braunschweiger Land statt.

Waldstraße 9
38667 Bad Harzburg
Di-So: 14-18 Uhr