Rallye durch das Magniviertel
4 Stationen – 4×11 Minuten kreatives Handwerk
Am Mittwoch, dem 03.07.2019 fand unser zweites 11hoch11 in diesem Jahr statt. Diesmal widmeten wir uns der Teilbranche „Kreatives Handwerk“. Die Idee: 4 Stationen im Magniviertel – je 11 Minuten Einblicke in das Kreative Handwerk. Und schon startete die Rallye durch das Magniviertel. Mit zwei Gruppen durften wir in die Welt der Seifen, des Hutmachens, Schmuckherstellens und Stoffbedruckens eintauchen. Bis zum Ende blieb es dabei spannend.
Treffpunkt war das Café Makery. Dort gab es zunächst eine selbstgemachte Limonade aus Limette und Himbeere zur Begrüßung für die Teilnehmer, bevor es dann zu Fuß durch das zauberhafte Magniviertel ging. Aufgrund der hohen Teilnehmerzahl und der kleinen Räumlichkeiten der Geschäfte, wurden kurzerhand zwei Gruppen gebildet. Halt wurde gemacht in Simones Seifenmanufaktur, im Raum23 und im Nähwerk. Wegen eines Wasserschadens im Kleinod, wurde dies nicht angesteuert. Die Besitzerin Hilke Schneidewind improvisierte jedoch und präsentierte ihre Upcycling Ketten in der Makery.
Natürlich natürlich!
Unter diesem Motto startete die erste Gruppe in Simones Seifenmanufaktur in der Magnikirchstraße 1, direkt neben dem Rizzi Haus. Mit herrlichen Düften und spannenden Einblicken wurden wir empfangen. Was viele nicht wissen: in den herkömmlichen, also industriell hergestellten Seifen ist vieles drin – nur nicht Seife. Der Seifenanteil ist oftmals sehr gering. Stattdessen sind sie mit wesentlich billigeren synthetischen und waschaktiven Substanzen angereichert, die die Haut austrocknen. „Ein Grund, warum auch Hautärzte davor warnen, diese Seifen im Gesicht anzuwenden. Mit natürlichen Seifen jedoch“, so Simone, die Inhaberin der Seifenmanufaktur, „sei das kein Problem. Diese werden aus natürlichen Zutaten hergestellt und können für Haare, Haut und Gesicht ohne Probleme verwendet werden.“ Alle Seifen in dem kleinen Lädchen an der Ecke werden von Hand hergestellt, mit natürlichen Zutaten wie Kaffee und Kräutern angereichert und eingefärbt und für den Verkauf umweltbewusst verpackt. Wer einmal selbst seine Seife herstellen möchte, kann das in einem der Workshops, die regelmäßig angeboten werden, tun. Nachhaltigkeit und natürliche Pflege werden hier großgeschrieben. Wer komplett auf Plastik und Plastikverpackungen verzichten möchte, findet Zahnbürsten aus Bambus, Zahnseifen, Schalen aus Holz und vieles mehr. Eine Seifenpraline und einen kleinen Tipp zum Schluss gab es für uns auch noch mit: „Für Seifenreste gibt es praktische Seifenbeutel aus Naturmaterialien. Einfach die kleinen Seifenstücke darin sammeln und wie einen Schwamm benutzen.“
11 Kopfbedeckungen und 10 flinke Finger
Flink waren die Finger von Margret Porwoll in der Tat. Kaum waren alle im Raum23 in der Ritterstraße eingetreten, hatte auch schon jeder einen passenden Hut auf seinem Kopf. So unterschiedlich die Typen und Gesichter, so vielfältig sind die Kreationen der Kopfbedeckungen, die Margret in liebevoller Handarbeit in ihrem Atelier fertigt. Vom filigranen Fascinator bis hin zum großen Sommerhut – für jeden ist das Passende dabei. „Ich sehe in nur wenigen Sekunden welcher Hut zu meinem Kunden passt. Auch wenn der Kunde manchmal selbst eine ganz andere Vorstellung von sich hat. Doch am Ende kann ich ihn dann überzeugen.“, berichtet uns die Modistin Margret Porwoll. Richtig spannend wurde es dann in dem kleinen Atelier, welches sich im hinteren Teil der Etage befindet. „Für die verschiedenen Hutarten gibt es sogenannte Hutstumpen. Die Holzköpfe oder -formen kann nicht jeder Drechsler anfertigen. Dementsprechend kosten diese dann auch.“, erklärt uns Margret. Manchmal findet sie aber auch welche auf dem Flohmarkt. Mit den Jahren hat sich eine beachtliche Menge angesammelt, die ihre Regale füllen. Denn für jede Kopfgröße braucht es auch eine eigene Holzform. Und dann geht es auch schon los. Die Materialien werden gebügelt, geformt, zurechtgezogen und verziert.
Kulturerbe in neuem Gewand
Und das in wunderschönen Neuinterpretationen kreieren Julia Eschment und Duong Nguyen vom Nähwerk in der Kuhstraße 1. Sie zeigen, dass Mode individuell und nachhaltig sein kann. Wer ein Lieblingsstück in seinem Schrank hängen hat, dass nicht mehr passt, kann dieses mit ins Nähwerk bringen und umgestalten lassen. So entstehen aus alten Stoffen wunderschöne modische Kreationen. „Gardinen, alte Stoffe, Shirts – aus vielem lässt sich noch etwas tragbares gestalten.“, erläutert uns Julia Eschment, eine der beiden Inhaberinnen, mit strahlenden Augen. Die Kreationen sind außergewöhnlich, filigran und für alle Altersklassen geeignet. Doch der eigentliche Grund, warum wir gekommen sind, ist die Cyanotypie. Dabei handelt es sich um ein Druckverfahren, bei dem blaue Farbe eine entscheidende Rolle spielt. Im November 2018 hatte die Unesco das Druckverfahren zum immateriellen Kulturerbe der Menschheit erklärt. Benötigt werden Textilien, eine Lösung aus Ammoniumferrizitrat und Kaliumferrizcyanid, UV-Licht zum Belichten und ein hübsches Motiv. Das können Naturmaterialien wie Zweige aber auch Fotos sein. „Große Textilien belichte ich in der Sonne. Für kleine, wie eure Gutscheine aus Stoffresten, haben wir eine Belichtungsbox. Nach ein paar Minuten ist das Ergebnis schon zu sehen. Und es bleibt immer spannend, denn man kann nie wissen, was am Ende entsteht.“ Die Ergebnisse können sich sehen lassen. Auf den Shirts sind bläuliche Motive zu erkennen, die manchmal nur andeuten, wie das Original ausgesehen hat.
Upcycling Deluxe
Aus alten Fahrradschläuchen lässt Hilke Schneidewind, Inhaberin des Kleinods, hochwertige Ketten entstehen. Verziert mit Perlen, Muscheln und Steinen entstehen zauberhafte Kreationen für den Hals. Mal gröber, mal feiner schmiegen sich die Schmuckstücke an ihre neuen Besitzer. „Die Herstellung ist sehr mühselig, denn ich schneide jeden Schlauch mit der Hand in kleine Streifen. Danach werden sie in der Waschmaschine gereinigt, anschließend getrocknet und per Hand auf einen feinen Draht aufgefädelt. Ein Prozess, der mehrere Stunden dauert und nicht am Stück machbar ist.“ Doch die Arbeit lohnt sich, bestätigen auch die Teilnehmer der Rallye. Denn neben dem ästhetischen Aspekt ist vor allem die Idee des Upcyclings großartig. Es zeigt sich mal wieder, dass es durchaus möglich ist, umweltbewusst zu konsumieren. Am Ende erhalten alle ein kleines Säckchen mit Mineralsteinen als Erinnerung.
4 Spannende Einblicke und ein Resümee
Die Rallye hat gezeigt, wie vielfältig und innovativ das kreative Handwerk nur allein schon im Magniviertel in Braunschweig vertreten ist. Nachhaltigkeit, Kreativität und interessante Lebensgeschichten stecken in den niedlichen Läden. Wir durften erfahren, wie aus gebrauchten Materialien mit neuen und alten Techniken neue Dinge entstehen können, worin die Vorteile der Handarbeit gegenüber der industriellen Fertigung stehen und wie viel Zeit und auch Kraft es braucht, individuelle Stücke herzustellen. Nach den vier Vorträgen hatten alle noch die Gelegenheit sich im Anschluss in der Makery auszutauschen und ins Gespräch zu kommen. Es wurde munter gefragt und diskutiert. Die Teilnehmer freuten sich über die Einblicke in die Fertigungsprozesse, die Nähe zu den Inhaberinnen und darüber, das Magniviertel ein bisschen besser kennengelernt zu haben.
Wir danken allen Akteuren für die Zusammenarbeit und freuen uns auf zukünftige Projekte!